Interview in Ö1, Salzburger Nachtstudio / 10.3.2021, 21h
Psychoanalyse in Zeiten von Corona
Gestaltung: Katrin Mackowski
ganzes Interview:
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Wie denken und schreiben Psychoanalytiker über die Corona-Pandemie und ihre klinischen Erfahrungen in der gegenwärtigen Krise? Welche Rolle spielen Auge, Ohr und Körper im Behandlungsraum, wenn die Couch fehlt, wenn das Zusammentreffen von Patienten und Therapeuten zunehmend in virtuellen Räumen stattfindet oder gar anders maskiert?
Der Psychoanalytiker und Psychiater August Ruhs hat einen Schreibwettbewerb ausgeschrieben und dabei gleich selbst phantasiert. Er vergleicht das Virus mit einem Alien und bezeichnet ihn sogleich analytisch bannend mit einem Terminus technicus, nämlich als „Partialobjekt“. Als ein unheimliches Teil also, das sich „von einem Körper ablösen und in andere Körper eindringen kann“, wie er sagt. Doch das Virus löst sich nicht nur von einem Körper ab. Es verbleibt und veräußert sich, beides. Und vor allem: das Virus produziert auch in Psychoanalytiker/innen – wie in uns allen – die verschiedensten Phantasien. Warum? Weil dieses real wie irreale oder vorgestellte Eindringen in den eigenen Körper archaische Ängste hervorrufen kann.
Frühe Abwehrmechanismen dieser Ängste greifen dabei ebenso: Abwehr durch Spaltung (das Virus ist entweder harmlos oder gefährlich), durch Verleugnung (es gibt gar kein Corona) oder durch diverse Projektionen (z. Bsp. Verschwörungstheorien).
Das Virus, das Unbewusste und die Psychoanalyse gehen in jedem Fall eine herausfordernde Beziehung ein. Für manche markiert das zusammengenommen, den Inbegriff des Unheimlichen, für andere ist es ein Feld, in dem sich das Wesen der analytischen Arbeit und Forschung zeigen kann: im freien Assoziieren, im Bezeichnen von Bedeutungsebenen und den teilweise schmerzlichen, aber kreativen Erfahrung mit dem Unbewussten als Wahrheit.
Ein Salzburger Nachtstudio von Katrin Mackowski