15. Juni 2021, W24 TV
(Sendedauer 28:39 Min. )
1984 hat der Psychotherapeut Erwin Ringel (geboren vor 100 Jahren) mit „Die Österreichische Seele“ einen Bestseller veröffentlicht, der bis heute nichts an Brisanz verloren hat. Noch immer leidet das Land an grundlegenden Neurosen, an einem oft abrupten Wechsel zwischen Größenwahn und Minderwertigkeitskomplexen, kann seine reale Bedeutung in der europäischen und globalen Welt nicht richtig einschätzten, seine wirklichen Chancen nicht erkennen und verwirklichen. Die „Österreichische Seele“ wird noch immer überschattet durch autoritäre Strukturen, die sich auch nach dem Zusammenbruch des „alten Systems“ in einer Sehnsucht nach einfachen Lösungen für die komplizierten Probleme einer komplexer gewordenen Gesellschaft widerspiegeln, ängstigt sich vor den tatsächlich radikalen Gefahren von Individualisierung, Digitalisierung und Globalisierung – ohne AUCH deren Chancen zu erkennen und ergreifen.
2020 wurde auch Österreich von einer Pandemie erfasst, welche die größte gesundheits-, wirtschafts- und gesellschaftspolitische Krise seit 1945 erzeugt hat und erzeugt. Kein Bereich bleibt davon verschont, der Arbeitsmarkt nicht, die Bildungspolitik nicht, die Gesundheitspolitik – das gesamte psychosoziale Leben gerät aus den Fugen. Die Dauerbelastung durch die Corona-Krise lässt die psychischen Auswirkungen auf die „Österreichische Seele“ alarmierend steigen. Und vergrößert die Gefahr eines Zerbrechens jenes Minimalkonsenses, welcher unerlässlich ist für die Bewältigung der künftigen Aufgaben, die „nach“ der Krise noch größer sein werden als sie es schon vor 2020/2021 waren. Derzeit stellt sich nicht „nur“ die Frage, wie Österreich „zukunftsfit“ gemacht werden kann – sondern auch jene, wie man den jahrelang gehaltenen Status überhaupt halten kann.
Dr. Peter Pelinka , Historiker und Politikwissenschafter, jahr(zehnt)elang in führenden Funktionen im österreichischen Journalismus tätig, Autor zahlreicher Bücher zum politischen System Österreich, ausgezeichnet mit der „Psychotherapeutischen Feder“ und Dr. Lisz Hirn, österreichische Philosophin, Autorin und Dozentin erörtern Fragen über die “Österreichische Seele”. Freuen Sie sich auf „Talks mit Tiefgang“ mit Fachleuten, welche mehr sind als bloß Expert*innen für Spezialthemen, sondern Expert*innen des vernetzten Denkens.